Die Stadträte der Linken beantragen eine Resolution zum Transatlantischen Freihandelsabkommen und Abkommen zum Handel von Dienstleistungen.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
folgenden Antrag bitten wir im Stadtrat zu behandeln:
1. Der Stadtrat spricht sich gegen ein geplantes Transatlantisches Freihandelsabkommen zwischen EU und den USA (TTIP) und Abkommen zum Handel von Dienstleistungen (TISA) in dem derzeit geplanten und verhandelten Umfang aus.
2. Der Stadtrat fordert das Europäische Parlament auf, dem Abkommen über eine transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft und dem Abkommen zum Handel von Dienstleistungen solange nicht zuzustimmen, bis gesichert ist, dass die Wahrung der europäischen Sozial- und Umweltstandards sowie der Schutz der kommunalen Daseinsvorsorge nicht dadurch gefährdet werden können. Des Weiteren fordert der Stadtrat die Landtags-, Bundestags – und Europaabgeordneten unserer Region auf, in ihrem Wirkungskreis gegen diese geplante Abkommen Position zu beziehen und entsprechend bei der Bundesregierung wie auch bei der EU-Kommission zu intervenieren.
Insbesondere kommt es darauf an, dass
– die kommunale Daseinsvorsorge, darunter insbesondere die nicht liberalisierten Bereiche, wie die öffentliche Wasserver- und Abwasserentsorgung, die Bereiche Abfall und ÖPNV, soziale Dienstleistungen sowie alle Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge im Kulturbereich, vom derzeit mit den USA verhandelten Freihandelsabkommen – und allen weiteren Handelsabkommen – explizit ausgeschlossen wird.
– eine Schwächung bestehender Arbeitnehmerrechte, Umwelt- und Verbraucherschutzstandards sowie Finanzmarktregeln durch TTIP ausgeschlossen wird.
– politische Handlungsspielräume nicht beschränkt werden. Die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit müssen auch in Streitfällen gelten. Wirtschaftliches Handeln muss zugleich auch dem Wohl der Allgemeinheit dienen, wie es das Grundgesetz in Art. 14 formuliert. Banken und Konzerne dürfen daneben keine Klagerechte gegen Staaten (Investor-State-Dispute-Settlement, ISDS) vor privaten Schiedsgerichten, die nicht demokratisch legitimiert sind, erhalten.
– das Mandat über die Verhandlungen offengelegt und über den Verhandlungsprozess regelmäßig berichtet wird. Geheimverhandlungen sind sofort zu beenden. Der bisherige Prozess der Verhandlungen zum Freihandelsabkommen EU-USA ist in höchstem Maße intransparent und vernachlässigt erheblich die Rechte der gewählten Parlamentarier/innen auf europäischer, nationaler und Länderebene sowie die der Kommunen.
Begründung:
Seit Mitte 2013 verhandeln EU und USA offiziell über ein Transatlantisches Freihandels- und Investitionsabkommen, das sogenannte TTIP. Insbesondere durch eine Angleichung von Normen und Standards soll der größte Handelsraum der Welt entstehen. Auf den Verhandlungstisch kommt alles: Finanzmarktregeln, Arbeitnehmerrechte, Umweltstandards und vieles mehr. Ganz grundsätzlich zielt das Abkommen darauf ab, durch Investitionsschutzbestimmungen die Entscheidungsfreiheit demokratisch gewählter Parlamente einzuschränken.
Die globalisierungskritische Organisation Attac befürchtet: „Das öffentliche Beschaffungswesen soll auf allen Ebenen geöffnet werden. Soziale und ökologische Aspekte könnten dann nur noch sehr eingeschränkt bei der Auftragsvergabe berücksichtigt werden.
Dies könnte auch als Einfallstor dienen, um die Wasserversorgung (selbst in den USA noch überwiegend in kommunaler Hand) zu privatisieren. Die Folge einer solchen Privatisierungswelle wären steigende Preise und sinkende Qualität.“
Streitfälle sollen nicht vor den Gerichten der souveränen Staaten, sondern von demokratisch nicht legitimierten Schiedsgerichten entschieden werden. Die konkreten Inhalte der
Verhandlungen werden geheim gehalten. Hier wird hier ein öffentliches Rechtssystem durch ein privates, von internationalen Anwaltskanzleien beherrschtes Rechtssystem ersetzt. In der Konsequenz ist zu befürchten, dass Staaten künftig lieber auf Verbesserungen im Verbraucherschutz, bei Sozialstandards oder im Umweltbereich verzichten, als sich mit transnationalen Großkonzernen anzulegen. Attac nennt die Klage des schwedischen Vattenfall-Konzerns – nach dem Atomausstieg klagt der Energiekonzern vor einer internationalen Schiedsstelle auf 3,7 Mrd. Euro Schadensersatz – als Beispiel für eine solche undemokratische Praxis.
Im Folgenden soll ausschnittsweise der Beschluss des Hauptausschusses des Deutschen Städtetages auf seiner 209. Sitzung am 12. Februar 2014 in München wörtlich wiedergegeben werden:
„Das Abkommen wird für die Mitgliedstaaten der EU von der Europäischen Kommission verhandelt. Grundlage dieser Verhandlungen ist ein vom Rat erteiltes Mandat, welches jedoch nicht veröffentlicht wird. Nach Abschluss der Verhandlungen müssen das Europäische Parlament und der Rat dem Vertragstext des Abkommens im Ganzen zustimmen oder ihn ablehnen. Nach Abschluss des Freihandelsabkommens wird dieses für die Mitgliedstaaten bindend. Damit wird es Anwendungsvorrang vor dem europäischen Sekundärrecht, wie beispielsweise Verordnungen und Richtlinien, sowie nationalem Recht haben. Dieses rechtliche Gewicht des Abkommens verstärkt seine mögliche Bedeutung für die kommunale Daseinsvorsorge. […]
Je nach Ausgestaltung und Wortlaut des Abkommens könnten Teile der kommunalen Daseinsvorsorge unter den Anwendungsbereich der Handels- und Investitionspartnerschaft fallen. Auch wenn sich das Handelsabkommen nicht direkt mit den Organisationsformen und -aufgaben der öffentlichen Verwaltung befasst, können sich die Inhalte des Abkommens
indirekt auf die kommunale Organisationsfreiheit auswirken. Beschränkend für die Organisationsfreiheit könnte sich beispielsweise eine Marktzugangsverpflichtung auswirken. Diese untersagt lokale Monopole und ausschließliche Dienstleistungserbringer. Somit würde einer Kommune zwar nicht vorgeschrieben, wie sie die öffentliche Daseinsvorsorge zu erbringen hat. Die Marktzugangsverpflichtung könnte jedoch dazu führen, dass neben den kommunalen auch private Unternehmen die Daseinsvorsorgeaufgaben wahrnehmen können müssen und Rechtsformeinschränkungen für die Erbringung nicht zulässig sind.
Daher ist es wichtig, sicherzustellen, dass die Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge prinzipiell nicht von einer transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft erfasst sind. Dies gilt ebenso für das seit Juni 2013 von der EU-Kommission verhandelte „Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen“ (Trade in Services Agreement -TISA), welches nationale Dienstleistungsmärkte öffnen soll. […]
Die Erbringung zahlreicher Aufgaben der Daseinsvorsorge durch kommunale und öffentliche Einrichtungen hat in unserer Gesellschaft eine lange Tradition und hat sich bewährt. Die Bürgerinnen und Bürger vertrauen darauf, dass die Steuerung und Kontrolle der Leistungen der Daseinsvorsorge durch demokratisch legitimierte kommunale Vertretungskörperschaften erfolgt. Damit stellt die kommunale Daseinsvorsorge ein wichtiges Element eines bürgernahen Europas dar, dem die EU und die Mitgliedstaaten gleichfalls verpflichtet sind.
Die öffentliche Daseinsvorsorge darf daher insbesondere in den Bereichen, in denen sie
wichtige Aufgaben in nicht-liberalisierten Märkten wahrnimmt, keinesfalls einer Liberalisierung unterworfen werden. Darunter fällt insbesondere die Wahrnehmung der Aufgaben in der Wasserver- und Abwasserentsorgung. Diese Bereiche dürfen, vor dem Hintergrund des gerade erzielten Erfolges für die öffentliche Wasserwirtschaft in der Konzessionsvergaberichtlinie der EU, nicht wiederholt angetastet werden. Dies gilt gleichermaßen für die traditionell seitens der Länder und der Kommunen geleistete
Kulturförderung. Der Erhalt von eigenen Einrichtungen, wie Theatern, Museen und Bibliotheken und die Förderung von zivilgesellschaftlichem sowie ehrenamtlichem Engagement sind gemeinwohlerhaltende und wichtige Bestandteile der kommunalen Daseinsvorsorge. Die Kommunen dürfen in der Erbringung auch dieser Aufgaben keinesfalls durch ein Handelsabkommen eingeschränkt werden. Darüber hinaus sind insbesondere auch die sozialen Daseinsvorsorgeleistungen zu nennen. Die Erbringung dieser Leistungen durch Kommunen und die Funktionsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme sowie die kommunale Kompetenz in der Krankenhausversorgung müssen weiterhin gewährleistet sein und dürfen durch den Abschluss eines Handelsabkommens keiner Einschränkung unterliegen.“
Mit freundlichem Grüßen
Irmgard Freihoffer |
Richard Spieß |