PM 6 zum Regensburger Spendenskandal: Die Regensburger Staatsanwaltschaft sieht Regensburg als „Korruptionshauptstadt“ – wer hat dazu beigetragen?

Es habe einen „Regensburger Sumpf“ gegeben und Regensburg sei „Korruptionshauptstadt. So zitieren die SZ, die Mittelbayerische Zeitung und Regensburg-digital vom 4. und 5. Mai 2021 die Regensburger Staatsanwaltschaft. Wenn man so etwas in Zukunft verhindern will, wäre es sicher hilfreich, der Frage nachzugehen, wieso sich dieser Sumpf über viele Jahre hinweg unbehelligt entwickeln konnte. Am Beispiel von 128 GBW-Wohnungen in Regensburg wird das deutlich. Eine Beschwerde bei der Regierung der Oberpfalz und eine Strafanzeige liefen ins Leere.

Sowohl Wolbergs als auch Schlegl finanzierten beide „ihren Wahlkampf zu einem großen Teil aus Spenden von Bauunternehmern, beide nutzten offenbar ein Strohmannsystem zur Verschleierung“, so die SZ am 4.5.21. Der frühere CSU-Fraktionsvorsitzende und CSU-OB-Kandidat von 2014 wird am Ende „nur“ wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in Zusammenhang mit Scheinrechnungen zur Verschleierung von Wahlkampfspenden zu 200 Tagessätzen à 100 € verurteilt. Nun will die Staatsanwaltschaft die Revision im Fall Schlegl prüfen.

Dabei belastet die Staatsanwaltschaft im Verfahren gegen Schlegl den Regensburger Politbetrieb schwer: „Dieses Verschleierungs- und Korruptionssystem in Regensburg“ habe demnach „schon lange bestanden“, wird die Staatsanwaltschaft auf Regensburg-digital wiedergegeben. Schlegl habe „all das mit der Stückelung und Verschleierung nicht erfunden, sondern sei durch seine politische Laufbahn in Regensburg wohl einfach ‚so sozialisiert‘ worden“ (Regensburg-digital, 5.5.21). Ebenso führt die Süddeutsche an, dass es sein könne, „dass Schlegl mit der illegalen Spendenpraxis sozialisiert worden sei und sie nur weiterführte.“ Für Oberstaatsanwalt Jürgen Kastenmeier stehe fest, „Es ist ein Regensburger Sumpf und Spendenskandal gewesen,“ so die Mittelbayerische am 5.5.21.

Das sind Vorwürfe, die schwer wiegen. Die Staatsanwaltschaft benennt aber nicht konkret, wer den „Regensburger Sumpf“ angelegt haben soll. Soll Wolbergs der Erfinder gewesen sein? Das ist unwahrscheinlich, denn er wurde erst 2008 dritter Bürgermeister und 2014 Oberbürgermeister. Schlegl aber kam 2002 in den Stadtrat, als Hans Schaidinger, CSU, zum zweiten Mal zum Oberbürgermeister gewählt worden war. Ab 2008 wurde Schlegl CSU-Fraktionsvorsitzender, wieder unter dem OB Schaidinger. Viel näher liegt also, dass Schlegl durch Schaidinger „sozialisiert“ wurde.

Zweimal hatte die Staatsanwaltschaft gegen Letzteren ermittelt. Anlass waren ein Beratervertrag mit dem Bauunternehmer Tretzel und der Hauskauf seiner Tochter bei demselben Bauunternehmer. Ein Verfahren gegen Schaidinger wurde im August 2019, das andere im April 2020 eingestellt.

Doch hatte die Staatsanwaltschaft noch nicht einmal einen Anfangsverdacht, als ich Ende November 2018 Strafanzeige gegen Alt-OB Schaidinger stellte. Folglich wurde auch nicht ermittelt. Bei der Anzeige ging es um die Irreführung des Stadtrats, der aufgrund fehlender bzw. falscher Informationen für den Verzicht auf das Vorkaufsrecht von 128 GBW-Wohnungen in der Hermann-Geib- und Von-Reinerstr., stimmte. Durch den Verzicht auf das Vorkaufsrecht wurde günstiger Wohnraum vernichtet und dem Münchner Investor Domicil ein Millionengeschäft zugeführt. 

Das ist umso erstaunlicher, als der Bundesgerichtshof 2016 festgestellt hat, dass die Staatsanwaltschaft „schon beim Vorliegen eines Anfangsverdachts Ermittlungen aufzunehmen“ habe. „Dafür sei bereits ausreichend, dass aufgrund zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte nach kriminalistischer Erfahrung die bloße Möglichkeit einer verfolgbaren Straftat gegeben“ sei. Die Schwelle für die Annahme eines Anfangsverdachts liege „niedrig“, schon „entferntere Verdachtsgründe“ genügten, „die eine geringe, wenngleich nicht nur theoretische Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer verfolgbaren Straftat“ begründeten. Des Weiteren müssten „die Ermittlungsbehörden auch auf völlig unbegründete, unter Umständen wider besseres Wissen in Schädigungsabsicht erstattete Strafanzeigen hin tätig werden“.[1]

Zu den Details der Strafanzeige, der Beschwerden bei der Regierung der Oberpfalz und die Vorgänge um die 128 GBW-Wohnungen in der Herrmann-Geib- und Von-Reinerstr. siehe meine Ausführungen hierzu in der Datei „Details GBW-Wohnungen Hermann-Geib- u. Von-Reinerstr._Beschwerde Bezirksregierung u. Strafanzeige“.

War der frühere Oberbürgermeister Schaidinger unbeteiligt an dem Sumpf oder kam die Staatsanwaltschaft erst jetzt darauf, dass ein früherer Oberbürgermeister diesen angelegt haben musste, weil Schaidinger nicht mehr belangt werden kann?

Warum hat die Regierung der Oberpfalz, bei der die eine oder andere Beschwerde, nicht nur von den Stadträten der Linken, sondern auch vom FW-Stadtrat Günther Riepl in Zusammenhang mit Grundstücksgeschäften unter OB Schaidinger einging, nur die Standpunkte der Stadt übernommen und nicht kritisch hinterfragt? Hat sie nicht selbst möglicherweise durch Verschleppung und Untätigkeit zur Entstehung der Korruptionshauptstadt beigetragen? Was soll sich da in Zukunft ändern?

Diese und weitere Fragen müsste man stellen, wenn man der „Korruptionshauptstadt“ auf den Grund gehen und sicherstellen will, dass sich das in Zukunft nicht wiederholt und sei es auch anderswo.

Sämtliche Presseerklärungen der Linken im Stadtrat Regensburg zur Regensburger Parteispendenaffäre finden Sie auch unter https://linksfraktion-regensburg.de/category/regensburger-parteispendenaffaere/


[1] BGH-Urteil vom 16.02.16, Az.: VI ZR 367/15, Randnote 26.

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