Kapitel „Smart City“ aus dem Wahlprogramm für die Kommunalwahl in Regensburg am 15.03.2020

➡ Smart City

Ganz ohne Frage, die Digitalisierung und das Internet haben uns viele Vorteile und Erleichterungen gebracht wie z. B den schnellen Zugriff auf Informationen weltweit und den Internethandel. Zugleich zeigt die zunehmende Digitalisierung in einigen Bereichen gravierende negative Folgen, so z. B. für die Umwelt und den Verkehr durch die zunehmenden Transporte, die mit dem Anwachsen des Internethandels verbunden sind. Des Weiteren hat die Datensammlung durch private Konzerne wie Google oder Facebook schon jetzt bedenkliche Ausmaße angenommen. Mit BigData und Datamining der Smart City erreicht das neue Dimensionen.

Smart City ist die Vernetzung von Geräten übers Internet vom Kühlschrank über die Waschmaschine bis zum Stromzähler („Internet der Dinge“), der Fahrzeuge und Dienstleistungen. „Die gesamte städtische Umgebung ist dabei mit Sensoren versehen, die sämtliche erfassten Daten in der Cloud verfügbar machen. So entsteht eine permanente Interaktion zwischen Stadtbewohnern und der sie umgebenden Technologie.“ (Wikipedia „Smart City“)

Große Heilsversprechen sind daran geknüpft: Vereinfachung des Lebens, mehr Effizienz und Optimierung des Verkehrs. Doch durch die damit verbundene Datensammlung in den Händen privater Firmen kann von jedem ein sogenannter digitaler Zwilling, ein Persönlichkeitsprofil, erstellt werden. Dass der Verlust der Privatsphäre eine real existierende Gefahr ist, zeigt auch die Smart City Charta der Bundesregierung:

„Da wir genau wissen, was Leute möchten, gibt es weniger Bedarf an Wahlen, Mehrheitsfindungen oder Abstimmungen. Verhaltensbezogene Daten können Demokratie als das gesellschaftliche Feedbacksystem ersetzen.“[1]

Daten ersetzen auf diese Weise die Demokratie. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung wurde der Weg zum flächendeckenden Datensammeln freigemacht:

„Wir streben an, die Freizügigkeit der Daten als fünfte Dimension der Freizügigkeit zu verankern.“ (Koalitionsvertrag, 7.2.18, Zeile 2.182)

Wir setzen uns u. a. dafür ein:

auf Bundes- und europäischer Ebene:
• für eine autonome europäische digitale Infrastruktur

auf kommunaler Ebene:

  • aktives Einbinden der Bürgerschaft, kritischer Experten- u. Datenschützer*-innen
  • städtische Dienstleistungen dürfen nicht ersatzlos digitalisiert werden, um die Teilhabe aller Bürger*innen zu garantieren
  • digitale Infrastrukturen, Plattformen, und grundlegende Dienste auf der Grund-lage von Prinzipien freier Soft- und Hardware von Bürger*innen oder öffentlicher Hand entwickeln und betreuen
  • personenbezogene Daten dürfen so wenig wie möglich anfallen und nicht weitergegeben oder verkauft werden – der gläserne Bürger muss verhindert werden! Nicht personenbezogene Daten der Öffentlichkeit zugänglich machen
  • ohne Technikfolgenabschätzung und ausreichende Forschung über die Wir-kungen der 5G-Frequenzen auf Mensch, Tier und Natur darf die Technologie nicht eingeführt werden (siehe Kasten).
Mobilfunkstandard 5G
Man braucht ihn nicht für das Smartphone, doch autonomes Autofahren, smart homes, also der Zugriff auf Geräte daheim von überall, Datentransfer in Echtzeit, Internet der Dinge und vieles mehr benötigen den Mobilfunkstandard 5G. Das bedeutet eine Aufstockung der Mobilfunkstandorte in Deutschland von 75.000 auf mindestens das Doppelte, manche Schätzungen gehen sogar vom Zehnfachen aus. Zwar hat die Strahlung des einzelnen Sendemasts eine geringere Reichweite, durch die große Anzahl wird die Hintergrundbelastung insgesamt aber höher.Wie hochfrequente Strahlung im Mikrowellenbereich auf die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt wirkt, ist nicht ausreichend erforscht. Solange mögliche Risiken für unsere Gesundheit nicht ausgeräumt sind, muss das Vorsorgeprinzip gelten. Das fordert auch der Bund für Umwelt und Naturschutz. https://www.bund.net/service/presse/pressemitteilungen/detail/news/bund-fordert-dass-gesundheitliche-auswirkungen-von-5g-vor-dem-ausbau-erforscht-werden/.
Weitere Hintergrundinformationen

Überwachung und Steuerung, personalisierte Werbung zur Steigerung des Konsums
An den Daten, die das Smart City System liefert, sind vor allem die konsumorientierte Industrie und die Überwachungsbehörden interessiert. Frank Schirrmacher prognostizierte, der
„Staat der Zukunft“ werde „ein gigantisches kommerzielles, real existierendes Internet […] Vorherzusagen, was einer tun, kaufen, denken wird, um daraus einen Preis zu machen, diese Absicht verbindet Militär, Polizei, Finanzmärkte und alle Bereiche digitaler Kommunikation.“ [2]

Der Bundesverband der deutschen Industrie führt aus, das Ziel von BigData sei es, über den
„direkten Kundenzugang […] die Kontrolle über die Kundenschnittstelle [zu] gewinnen […] Ein derartiges Agentenmodell [!] gewinnt an Bedeutung, da empirisches Wissen über den Kunden und seine Bedürfnisse von enormen Wert ist.“ [3]

Der Schweizer Think Tank Gottlieb-Duttweiler-Institut sieht die digitale Überwachung und Steuerung in seiner Untersuchung „Die Zukunft der vernetzten Gesellschaft“ (2014) als Modell zukünftiger Politik:

„Staats- und Unternehmensführer erhalten neue Werkzeuge, ‚Sozioskope‘ (soziale Teleskope), mit denen das menschliche Zusammenleben erstmals in seiner ganzen Komplexität erfasst werden kann. Durch die neue Technologie werde es möglich, die Gesellschaft mit dem Auge Gottes zu betrachten … Das präzisere Abbild eines sozialen Systems soll in der Folge auch eine schnellere präzisere Steuerung und Kontrolle der Gesellschaft ermöglichen.“  (S. 38)

Die Mitmachfalle
Peter Hensinger hält in Smart City und 5G-Hype fest:

„‘Die Smart City PR-Broschüre der Stadtwerke Arnsberg stellt klar: „Die Digitalisierung erfasst alle Lebensbereiche […] Es gibt kein zurück. Die digitale Vernetzung ist irreversibel.‘ “(VOGEL 2018:4, 9). Diesem positivistischen Wind of Change kann sich nur der Rückschrittliche entgegenstellen. Woher der Wind weht, wer seine Stärke bestimmt, in welche Richtung er bläst, Fragen danach sind lästig. Es ist immer dasselbe Spiel: Immobilienhaie, Autokonzerne oder die IT-Industrie setzen Tatschen, Parlaments-mehrheiten nicken sie als alternativlos mit ein paar Schönheitskorrekturen ab.“ [4]

Auch in den Leitlinien der Smart City Charta der Bundesregierung wird Transparenz, Teilhabe und Mitgestaltung großgeschrieben, “dennoch findet sich in der Charta keine explizite Kritik an der Macht von Softwareanbietern und an der Datenkontrolle durch Privatunternehmen. Genauso wenig wird die Möglichkeit formuliert, in Reallaboren Open-Source-Lösungen mit zivilgesellschaftlicher Beteiligung zu entwickeln“.[5]

Rebound- oder Rückpralleffekte
Effizienzsteigerungen senken oft die Kosten für Produkte oder Dienstleistungen. Dies kann dazu führen, dass sich das Verhalten der Nutzer ändert: Sie verbrauchen mehr – die ursprünglichen Einsparungen werden teilweise wieder aufgehoben.

Auch bei der zunehmenden Digitalisierung ist mit steigendem Energie- und Ressourcenverbrauch zu rechnen:

„Wenn sich die Rechnerleistung pro kWh alle 1,5 Jahre verdoppelt, gleichzeitig aber immer mehr Geräte produziert und genutzt werden und dabei deren verbaute Prozessorleistung stark ansteigt, verpufft das Einsparpotenzial […] Bis 2020 werden ca. 32 Milliarden Dinge über das Internet vernetzt sein. Dieser Datenaustausch trägt zum jährlichen 20 %igen Wachstum bei und wird auch den Energieverbauch drastisch steigern.“ [6]

Die Macht der Digitalkonzerne – kritische Stimmen
Folgende Zitate stammen aus: Frank Schirrmacher (Hg.), Technologischer Totalitarismus, Berlin 2015.

 Robert M Maier, Mitbegründer und Geschäftsführer der Visual Meta GmbH:

„Das eindrucksvollste Zitat stammt aus dem Buch ‚Die Vernetzung der Welt‘ des langjährigen CEOs und aktuellen Chairman von Google, Eric Schmidt: „Wir sind überzeugt, dass Portale wie Google, Facebook, Amazon und Apple weitaus mächtiger sind, als die meisten Menschen ahnen. Ihre Macht beruht auf der Fähigkeit, exponentiell zu wachsen. Mit Ausnahme von biologischen Viren gibt es nichts, was sich mit derartiger Geschwindigkeit, Effizienz und Aggressivität ausbreitet wie diese Technologieplattformen, und dies verleiht auch ihren Machern, Eigentümern und Nutzern neue Macht.“ (S. 125)

„Das Monopol von Google wird noch dadurch gestärkt, dass Google in Deutschland und Europa kaum Steuern zahlt und sehr viel mehr Geld als deutsche und europäische Wettbewerber zur Verfügung hat.“ (S. 126)

„Als 2013 bekannt wurde, dass die EU eine Kartellstrafe gegen Microsoft verhängt hat, schrieb der Spiegel: ‚Die Kartellstrafe gegen Microsoft kommt zu spät: Manche Konkurrenten sind längst pleite. Der Fall zeigt, wie ohnmächtig die Wettbewerbshüter gegenüber der Dynamik der IT-Märkte sind.‘ “ (S. 127)

 Mathis Döpfner, Vorstandsvorsitzender von Axel Springer SE:

„Vor diesem Hintergrund beunruhigt es mich sehr, dass Google – das gerade die Übernahme des Drohnenherstellers Titan Aerospace gemeldet hat – seit einiger Zeit als Unterstützer geplanter riesiger Schiffe und schwimmender Arbeitswelten gilt, die auf offenem Meer, also in staatenlosem Gewässer, kreuzen und operieren können. Was ist der Grund für diese Entwicklung? Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um das beunruhigend zu finden, vor allem, wenn man den Worten des Google-Gründers und Großaktionärs Larry Page zuhört.
Er träumt von einem Ort ohne Datenschutzgesetze und ohne demokratische Verantwortung. ‚Es gibt eine Menge Dinge, die wir gerne machen würden, aber leider nicht tun können, weil sie illegal sind‘, verkündete Page schon 2013. ‚Weil es Gesetze gibt, die sie verbieten. Wir sollten ein paar Orte haben, wo wir sicher sind. Wo wir neue Dinge ausprobieren und herausfinden können, welche Auswirkungen sie auf die Gesellschaft haben.‘

Heißt das, Google plant für alle Fälle die Operation im rechtsfreien Raum, ohne lästige Kartellämter und Datenschutz? Eine Art Überstaat, der sein schwimmendes Reich ungestört an allen Nationalstaaten vorbeinavigiert?“ (S. 154)

[1] Langfassung der Smart City Charta, S. 43. https://www.bmu.de/download/smart-city-charta/

[2] Frank Schirrmacher, Ego. Das Spiel des Lebens, München, 2013, S. 101 f.

[3] Roland Berger Strategy Consultants, Bundesverband der Deutschen Industrie, Analysen zur Studie: Die digitale Transformation der Industrie, München, 2015, S. 8. Zitiert nach P. Hensinger, J. Merks, W. Meixner, Smart City und 5G-Hype, Bergkamen, 2019, S. 10.

[4] Peter Hensinger, „Der Smart City- und 5G-Hype“, in: P. Hensinger, J. Merks, W. Meixner, Smart City- und 5G-Hype, Bergkamen, 2019, S. 20.

[5] Sybille Bauriedl, „Smart City Experimente. Normierungseffekte in Reallaboren“ in: S. Bauriedl, A. Strüver, Smart City. Kritische Perspektiven auf die Digitalisierung in Städten, Bielefeld, 2018, S. 78

[6] Jürgen Merks, „Digital first. Planet Second. Folgen unter ferner liefen“ in: P. Hensinger, J. Merks, W. Meixner, Smart City- und 5G-Hype, Bergkamen, 2019, S. 51.

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