Egal, wie dringlich die Warnungen des Weltklimarats wegen der steigenden CO2-Werte in der Atmosphäre sind, egal, wie auch das Umweltbundesamt die fehlenden Bemühungen zum Klimaschutz gerade im Verkehrssektor in Deutschland regelmäßig anprangert und egal, wie sehr die Schadstoffemissionen des Autoverkehrs die Lebenserwartung auch in Deutschland reduzieren – Feinstaub macht die Europäischen Umweltagentur für über 60.000 vorzeitige Todesfälle in Deutschland verantwortlich[1] – und egal, wie viel Fläche dem Autoverkehr geopfert wird – die Stadt hält an den meisten ihrer autozentrierten Projekte fest, ohne eine entsprechende Verlagerung des Autoverkehrs auf umweltfreundliche Alternativen zu prüfen.
Beispiel Ausbaumaßnahmen der Straßen im Norden im Zusammenhang mit der Sallerner Regenbrücke: Die Kosten betragen 58 Mio., wovon 31 Mio. an Zuwendungen eingeplant sind. 11,6 Mio. (davon 5,6 Mio. Zuwendungen) wurden schon ausgegeben, damit bleiben bei der Stadt immerhin noch 15,4 Mio. hängen. Die Wirtschaft will es, so wird argumentiert. Aber geht es für die Wirtschaft im Kern wirklich um die Festlegung auf eine bestimmte infrastrukturelle Maßnahme oder vielleicht doch eher darum, dass die Güter pünktlich und zuverlässig ankommen?
Um auf der stauanfälligen A93 Platz für die Güterverkehre, die langfristig zumindest teilweise auf die Schiene verlagert werden sollten, zu schaffen, brauchen wir für die Pendlerverkehre Park and Ride-Parkplätze im Norden wie auch an anderen Stellen und einen Bushuttledienst in die Stadt anstatt hier eine weitere Stadtautobahn zu schaffen, die den Verkehr nach innen und damit auch in Wohngebiete leitet. 80.000 Ein- und 20.000 Auspendler, von denen ca. zwei Drittel zweimal täglich mit dem Auto unterwegs sind – sollte es wirklich nicht möglich sein, einen Teil auf andere Verkehrsmittel zu verlagern?
Beispiel Parkplätze/Parkhäuser: Auch der Mobilitätstreff am Unteren Wöhrd ist immer noch mit 18,3 Mio. eingestellt. Wie wäre denn die Situation, wenn wir tatsächlich in allen Himmelsrichtungen ein funktionierendes Park and Ride-System vor den Toren der Stadt und eine gut getaktete Busanbindung in die Stadt hätten? Dann wäre vermutlich der jetzt geplante Mobilitätstreff am Unteren Wöhrd überdimensioniert. Das gilt auch für einige der anderen Parkhäuser wie z. B. im Neubaugebiet der ehemaligen Nibelungenkaserne (Kosten 6,75 Mio.) ebenso wie für den jetzt beabsichtigten Umbau der Kumpfmühler Kreuzung. Auch wenn dieser Verbesserungen für den Radverkehr bringt, so sind die gewaltigen Ausbaumaßnahmen für den Autoverkehr kritisch zu betrachten. Die Einfädelspur in der Friedenstraße z. B. wird für die Rechtsabbieger von Osten kommend von 40 auf 90 Meter erweitert, wofür eine Reihe Bäume weichen müssen.
Wir brauchen auch vor der Einführung einer Stadtbahn eine Mobilitätswende. Anstatt dem steigenden Autoverkehr hinterherzubauen müssen all diese verkehrspolitischen Dinosaurier endlich auf den Prüfstand.
[1] https://www.welt.de/wissenschaft/article220812120/Feinstaub-Jaehrlich-sterben-Hunderttausende-durch-Schadstoffe-in-der-Luft.html
Auch die Umstellung auf alternative Antriebe reduziert die Feinstaubemissionen nicht in größerem Umfang, da der meiste Feinstaub, u. a. Mikroplastik, durch Reifenabrieb entsteht.