Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
wir bitten Sie, über folgenden Antrag im Stadtrat abstimmen zu lassen:
Das Wirtschafts- und Wissenschaftsreferat wird vom Finanzreferat fachlich getrennt. Dazu soll es in ein anderes Direktorium oder ein anderes Referat verlegt werden.
Begründung:
Wenn wir bei der Bewerbung unseres amtierenden Finanzreferenten nachlesen, dass er sich binnen eines Jahres 152 Mal mit der Wirtschaft getroffen hat, dann ist man schon beeindruckt, welch breiten Zugang die Wirtschaft in Regensburg zur Politik und insbesondere direkt zu den Finanzen der Stadt hat. Von einer ähnlichen Anzahl an Treffen mit Sozialverbänden, Sportvereinen, Mietervertretungen usw. war nichts zu lesen. In einer Zeit, in der sich die Regensburgerinnen und Regensburger seit Jahren z. B. mit unbezahlbaren Mieten allein gelassen fühlen, ist es geboten, Distanz zur Wirtschaft herzustellen, um nicht den Eindruck einseitiger Interessensvertretung aufkommen zu lassen.
Die Aufgabe der Stadtpolitik ist es, die Aufgaben der Verwaltung vorzugeben, auf ihre Erfüllung zu achten und die Richtlinien des städtischen Zusammenlebens vorzugeben und zu koordinieren. Natürlich kann es dabei immer wieder zum Interessenswiderstreit von Wirtschaft und Stadtgesellschaft kommen. Doch nur durch Trennung des Aufgabengebiets der städtischen Finanzen vom Wirtschaftsreferat entsteht wieder Parität. Solange das Wirtschaftsreferat in der gleichen Hand ist wie die Kämmerei, existiert ein Superreferat, welches zu viele Machtressourcen auf sich vereinigt und von demokratisch gewählten Vertreter*innen der Bürgerschaft nur schwer zu kontrollieren ist.
Die Begründung für ein solches Superreferat, dass in unserer Stadt die Wirtschaft oberste Priorität haben muss, weil Geld, das für Soziales oder Bildung ausgegeben werden soll, erst verdient werden muss, ist eine untaugliche Argumentation. Entscheidungen werden im demokratischen System von den durch die Bürgerschaft legitimierten Vertreter*innen nach dem Mehrheitsprinzip getroffen und nicht von einem Superreferat, welches nur mehr selektiv Informationen an die Aufsichtsgremien weitergibt und Entscheidungen zu weiten Teilen alleine trifft.
Das Verhältnis von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft bedarf zweifellos einer Neujustierung in Regensburg. In einer Stadt, in der das Verhältnis von Politik und Wirtschaft nunmehr seit über einem Jahr vor Gericht aufgearbeitet werden muss, steht die Politik in der Pflicht, sich von jeglichem „Weiter so“ abzuwenden und drastische Veränderungen durchzusetzen. So kann außerdem aus der Politik in die Bürgerschaft ein deutliches Signal des Aufbruchs und der Veränderung gesendet werden.
Das Wirtschaftsreferat vom Finanzreferat fachlich zu trennen wäre ein erster wichtiger Schritt. Unsere Stadt ist nicht der Konzern Regensburg mit einer Sozialabteilung, sondern in erster Linie der soziale Lebensraum vieler Menschen, denen wir als demokratisch gewählte Vertreter*innen verpflichtet sind und denen wir oberste Priorität einräumen sollten.
Richard Spieß Fraktionsvorsitzender |
Irmgard Freihoffer Stadträtin |