Zum 80. Jahrestag des Endes des 2. Weltkriegs und der Befreiung vom Nationalsozialismus versammelten sich ca. 30 Menschen am Denkmal der russischen Kriegsgefangenen am Hohen Kreuz in Regensburg. Dabei wurde der Opfer des Naziterrors gedacht, u. a. der sechs Millionen ermordeten Juden, der Sinti und Roma und der Soldaten der alliierten Streitkräfte, die im Kampf gegen das Naziregime ihr Leben lassen mussten.
Irmgard Freihoffer, Vorsitzende des BSW Bayern und Staträtin in Regensburg, ging in ihrer Rede auf den besonders hohen Blutzoll der damaligen Sowjetunion, den Ausschluss russischer und belarussischer Vertreter zu Gedenkfeiern und den neuen Feindbildaufbau ein.
“27 Mio. Sowjetbürger fielen dem Deutschen Reich, das einen explizit als Vernichtungskrieg geplanten Feldzug gegen die Sowjetunion durchführte, zum Opfer. Beispiel Leningrad: Die knapp zweieinhalbjährige Belagerung der Stadt durch die Wehrmacht hatte das Aushungern zum Ziel. Über eine Million Menschen kam ums Leben.
Die sowjetischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter galten als bedenkenlos auszubeutendes Arbeitskräftepotenzial. So starben auch in Regensburg besonders viele der sowjetischen Kriegsgefangenen aufgrund ihrer katastrophalen Behandlung und wurden u. a. auf dem nach dem Krieg aufgelösten ‚Russenfriedhof‘ am Hohen Kreuz verscharrt.
Dass Deutschland nach dem 2. Weltkrieg wieder in die Völkergemeinschaft aufgenommen wurde, dass Deutschen verziehen und sie in den europäischen Ländern, auch in der Sowjetunion – viele DDR-Bürger studierten dort -, den USA und Israel wieder freundlich empfangen wurden, grenzt an ein Wunder. Dafür empfinden wir große Dankbarkeit.
Vor diesem Hintergrund ist die Empfehlung des Auswärtigen Amtes, wegen des Ukrainekriegs und möglicher russischer Propaganda russische und belarussische Vertreter von Gedenkfeiern auszuschließen, geschichtsvergessen und respektlos. Wir verurteilen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine, mit dem heutigen Gedenken aber hat er nichts zu tun.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier stellte in seiner bemerkenswerten Rede vom Juni 2021 anlässlich des 80. Jahrestages des Überfalls auf die Sowjetunion fest: ‚Lassen wir nicht zu, dass die das letzte Wort haben, die der nationalen Überheblichkeit, der Verachtung, der Feindschaft, der Entfremdung das Wort reden. Die Erinnerung muss uns einander näherbringen. Sie darf uns nicht von Neuem entzweien.‘
Und doch ist der neue Feindbildaufbau voll im Gange. Außenminister Johann Wadephul (CDU) erklärte noch vor seiner Ernennung, ‚Russland wird immer unser Feind sein‘. MdB Roderich Kiesewetter (CDU) forderte schon letztes Jahr, den Krieg nach Russland zu tragen und Ministerien und Kommandozentralen zu zerstören. Solche Äußerungen sind ein Aufruf zum Völkerhass und verstoßen gegen die Friedenspflicht des Grundgesetzes. Sie sind brandgefährlich und heizen die Eskalation an.
Für Frieden und eine stabile Sicherheitsordnung brauchen wir den Dialog und Diplomatie. Dazu gehört u. a., die Bedrohungswahrnehmungen beider Seiten zu berücksichtigen und zu respektieren.“