Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
wir bitten Sie, folgenden Antrag in den zuständigen Gremien zu behandeln.
Wir bitten Sie auch, den Antrag dringlich zu behandeln, da die Frist sonst nicht gewahrt werden kann.
Die Stadt Regensburg erklärt noch vor dem 30. Juni 2010 gegenüber dem bayerischen Wirtschaftsministerium, dass sie die Aufgaben des einheitlichen Ansprechpartners, wie es im Gesetz über die Zuständigkeit für die Aufgaben des Einheitlichen Ansprechpartners im Freistaat Bayern steht, wahrnimmt.
Der EAP in Regensburg hat eine koordinierende Rolle.
Begründung:
Der gesetzliche Hintergrund
Die EU-Richtlinie über Dienstleistungen fordert, dass ab 2010 die zur Aufnahme und Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit notwendigen Informationen, Verfahren und Anträge über einen „Einheitlichen Ansprechpartner“ angeboten und geregelt werden. Deshalb hilft dem Antragsteller ab 2010 ein „Einheitlicher Ansprechpartner“ mit Informationen und Unterstützung bei der Verfahrensabwicklung.
Wie unsere Ausführungen zeigen, ist nur eines klar, nämlich, dass nichts klar ist.
Wie wichtig in Zukunft die Möglichkeit sein wird, über den EAP steuernd auf die Entwicklungen im Dienstleistungssektor eingreifen zu können, ist aus heutiger Sicht nicht abzuschätzen. Die Möglichkeiten, Ansiedlungen von Firmen aus dem Dienstleitungssektor fördernd zu begleiten, kann in Zukunft ein Standortvorteil sein, den man nicht unterschätzen sollte. Eine Befragung der kreisfreien Städte beim Arbeitskreis Organisation ergab, dass die Städte Aschaffenburg, Augsburg, Bamberg, Nürnberg, Schweinfurt und die Landeshauptstadt München einen EAP ansiedeln wollen.
Leider gilt die Option, einen EAP zu installieren nur bis 30.06.2010, so dass Eile geboten ist. Die Zuständigkeit der optierenden Kommunen als EAP gilt zunächst bis 31.07.2012, denn das BayEAG ist bis dahin befristet, damit eine Evaluation der Regelungen vorgenommen werden kann. Diese zweijährige Erprobungszeit sollten wir nicht untätig verstreichen lassen, sondern auch Erfahrungen sammeln, um den Anschluss nicht zu verpassen.
Wie schon aus dem Gesetzestext des BayEAG ersichtlich ist, greift die Umsetzung des Gesetzes in viele Bereiche und Zuständigkeiten der Verwaltung ein. Es ist noch völlig offen, wie schwerwiegend die Veränderungen sind, die dieses Gesetz nach sich zieht, deshalb ist es geboten, die Kompetenzen nicht aus der Hand zu geben.
Der EAP auf kommunaler Ebene sollte eine koordinierende Rolle haben, wobei die Entscheidungsbefugnis bei den speziellen zuständigen Behörden verbleibt. Diese Vorgehensweise regt die EU auch im „HANDBUCH ZUR UMSETZUNG DER DIENSTLEISTUNGSRICHTLINIE“ an, wo es heißt:
„Einige der über die „einheitlichen Ansprechpartner“ abzuwickelnden Verfahren können unter Umständen komplex sein, wie z. B. bestimmte Verfahren für die Niederlassung großer, kommerzieller Einzelhändler, bzw. können eine Reihe verschiedener Genehmigungen umfassen. Allerdings kann ein „einheitlicher Ansprechpartner“ auch nur eine koordinierende Rolle haben, wobei die Entscheidungsbefugnis bei den speziellen zuständigen Behörden verbleibt.“.
Im BayEAG heißt es in Artikel 2 Absatz 1:
Einheitliche Ansprechpartner sind für die jeweils zugehörigen Berufe und im Rahmen ihrer jeweiligen örtlichen Zuständigkeit die Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern, die Rechtsanwaltskammern und die Steuerberaterkammern in Bayern sowie die Bayerische Architektenkammer, die Bayerische Ingenieurekammer-Bau und die Bayerische Landestierärztekammer. Ist für ein Verfahren oder eine Anfrage eine Zuständigkeit nach Satz 1 nicht begründet, sind die Industrie- und Handelskammern sachlich zuständig. Sind von einem Verfahren oder einer Anfrage mehrere Einheitliche Ansprechpartner nach Satz 1 betroffen, so ist der Einheitliche Ansprechpartner sachlich zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich der Schwerpunkt der Anfrage oder des Verfahrens fällt. Ist die Zuständigkeit zweifelhaft, ist bis zur Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit durch die betroffenen Kammern derjenige Einheitliche Ansprechpartner zuständig, der für die Abwicklung des Verfahrens oder der Anfrage in Anspruch genommen wurde.
Aus diesem Gesetzestext ist unschwer zu erahnen, wie unklar die Zuständigkeiten geregelt sind. Juristische Auseinandersetzungen werden sich noch Jahre damit beschäftigen. Um die Interessen von ansässigen Dienstleistern und Arbeitnehmern zu wahren ist ein koordinierender EAP die richtige Einrichtung.
Im Handbuch der EU steht dazu:
Die Mitgliedstaaten können sich entscheiden, verschiedene „einheitliche Ansprechpartner” für verschiedene Sektoren, wie beispielsweise „einheitliche Ansprechpartner” für reglementierte Berufe und „einheitliche Ansprechpartner” für kommerzielle Tätigkeiten, wie z. B. den Einzelhandel usw. einzuführen. Allerdings ist es wichtig, dass mögliche Lücken in der Erfassung abgedeckt werden. Aus diesem Grund gilt, dass die Mitgliedstaaten, wenn sie sich entscheiden, „einheitliche Ansprechpartner“ nach spezifischen Sektoren einzuführen,
(zusätzliche) „einheitliche Ansprechpartner“ benötigen, die für alle Dienstleistungen kompetent sind, die unter Umständen nicht durch die sektorenspezifischen „einheitlichen Ansprechpartner“ abgedeckt werden.
Ein weiteres Problem ist die Unterscheidung zwischen Niederlassung und grenzüberschreitender Erbringung von Dienstleistungen.
Im Einklang mit den Artikeln 43 und 49 des EG-Vertrags und der diesbezüglichen Rechtsprechung des EuGH unterscheidet die Dienstleistungsrichtlinie deutlich zwischen auf die Niederlassung anwendbaren Vorschriften und den auf die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen anwendbaren Bestimmungen. Während die Artikel 9 bis 15 die Niederlassung von Dienstleistungserbringern betreffen, beschäftigen sich die Artikel 16 bis 21 mit der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen, d. h. in Fällen, in denen der Dienstleistungserbringer nicht in dem Mitgliedstaat niedergelassen ist, in dem er Dienstleistungen erbringt.
Die Unterscheidung zwischen Niederlassung und grenzüberschreitender Erbringung von Dienstleistungen ist somit von grundlegender Bedeutung, um zu bestimmen, welchen Vorschriften der Richtlinie ein Dienstleistungserbringer unterliegt. Bei der Niederlassung des Dienstleistungserbringers ist der EAP zuständig und in den anderen Fällen nicht. Hier dem Missbrauch vorzubeugen, setzt voraus, dass man in die Entscheidungsprozesse eingebunden ist. Leider ist die Unterscheidung eine schwierige Aufgabe, die noch viele Gerichte beschäftigen wird.
Die Niederlassung umfasst die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit durch eine feste Niederlassung auf unbestimmte Zeit. Im Gegensatz dazu wird die Dienstleistungsfreiheit nach der Rechtsprechung des EuGH zufolge durch das Fehlen einer stabilen und kontinuierlichen Beteiligung am Wirtschaftsleben des Aufnahmemitgliedstaates gekennzeichnet. Wie der EuGH beständig entschieden hat, muss die Unterscheidung zwischen Niederlassung und Erbringung von Dienstleistungen auf Einzelfallbasis unter Berücksichtigung nicht nur der Dauer, sondern auch der Häufigkeit, der Regelmäßigkeit und der Kontinuität der Erbringung von Dienstleistungen erfolgen. Daraus folgt, dass keine allgemeingültige Höchstdauer festgesetzt werden kann, um zwischen Niederlassung und Erbringung von Dienstleistungen zu unterscheiden – eine Schlussfolgerung, die auch der EuGH zieht.
Überdies ist auch die Tatsache, dass der Anbieter eine bestimmte Infrastruktur verwendet, nicht entscheidend, da ein Erbringer von Dienstleistungen auch im Aufnahmemitgliedstaat eine Infrastruktur zur grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen verwenden kann, ohne dort niedergelassen sein zu müssen. Im Fall Schnitzer erklärte der EuGH, dass selbst eine über mehrere Jahre in einem anderen Mitgliedstaat ausgeführte Tätigkeit, je nach den Umständen des Falles, als Dienstleistungserbringung im Sinne des Artikels 49 des EG-Vertrags betrachtet werden kann, wobei das Gleiche auch auf wiederholt ausgeführte Dienstleistungserbringungen über einen längeren Zeitraum – wie beispielsweise Consulting oder Beratungsdienstleistungen – zutrifft. Die Niederlassung erfordert die Integration in das Wirtschaftsleben des Mitgliedstaats und beinhaltet die Kundenwerbung in dem Mitgliedstaat auf der Grundlage eines stabilen professionellen Sitzes.
Die Zuordnung zum einen oder anderen Bereich ist im Interesse der Gewerbetreibenden und Arbeitnehmer vor Ort und somit eine wichtige Aufgabe, die die Kommune zumindest koordinieren sollte.
Ein weiteres Konfliktfeld ist der räumliche Geltungsbereich. Diese Regelung betrifft die Kommune im besonderen Maß. Wenn in einem Mitgliedstaat die Erteilung einer Genehmigung für eine bestimmte Tätigkeit innerhalb des Verantwortungsbereiches regionaler oder lokaler Behörden liegt, so fordert die Richtlinie von den Mitgliedstaaten nicht, dies zu ändern. Allerdings ist die alleinige Tatsache, dass die Befugnis zur Erteilung von Genehmigungen bei lokalen oder regionalen Behörden liegt, an sich kein gültiger Grund, der eine Beschränkung des Geltungsbereichs der Genehmigungen rechtfertigt.
Stattdessen gilt, dass die Genehmigung, nachdem sie einmal durch die zuständige regionale oder lokale Behörde gewährt worden ist (beispielsweise an dem Ort, an dem der Dienstleistungserbringer seine Niederlassung errichtet), grundsätzlich durch alle anderen Behörden des Mitgliedstaats anerkannt werden muss.
Dies bedeutet, dass wir in hohem Masse von Entscheidungen betroffen sein werden, die in ihrer Wirkung noch nicht abzusehen sind.
Auch im Gesundheitswesen ist längst nicht alles eindeutig geregelt. Der Ausschluss von Gesundheitsdienstleistungen in Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe f) umfasst „Gesundheits- und pharmazeutische Dienstleistungen, die von Angehörigen eines Berufs im Gesundheitswesen gegenüber Patienten erbracht werden, um deren Gesundheitszustand zu beurteilen, zu erhalten oder wiederherzustellen, wenn diese Tätigkeiten in dem Mitgliedstaat, in dem die Dienstleistungen erbracht werden, einem reglementierten Gesundheitsberuf vorbehalten sind“. Dies bedeutet, dass Dienstleistungen, die nicht gegenüber einem Patienten, sondern gegenüber Gesundheitsdienstleistungs-erbringern selbst oder gegenüber einem Krankenhaus erbracht werden, wie z. B. Buchhaltungsdienstleistungen, Reinigungsdienstleistungen, Sekretariats-und Verwaltungsdienstleistungen, die Bereitstellung und Aufrechterhaltung von medizinischen Ausrüstungen sowie die Dienstleistungen von medizinischen Forschungszentren von der Ausnahme nicht erfasst werden.
Verwaltungs- und Sekretariatsarbeiten im Gesundheitsbereich bergen die Gefahr des Datenmissbrauchs. Hier wird mit sensiblen Daten von Patienten umgegangen die in keinem Fall von privaten Firmen eigesehen werden dürfen.
Es gibt noch viele Unwägbarkeiten bei der Umsetzung dieses Gesetzes. Wir sollten mitgestalten und nicht tatenlos zusehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Stadtrat, wenn wir uns um die Umsetzung dieser Aufgabe drücken hat das unter Umständen nicht absehbare Folgen für den Standort Regensburg, für die hier ansässigen Dienstleister und für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in dieser Branche. Sollte sich, wider Erwarten bis zum 31. Juli 2012 herausstellen, dass ein EAP bei der Kommune keinen Sinn ergibt. könnten wir uns immer noch anders entscheiden. Versäumen wir die Frist am 30. Juni 2010 sind wir aber bei wichtigen Weichenstellungen außen vor.
Mit freundlichen Grüßen