Die Annahme von Spenden von Bauträgern durch den SPD-Ortsverein Süd, die CSU und den CSU-nahen Verein Bürger für Regensburg in fünf oder sechsstelliger Höhe in Zusammenhang mit dem Kommunalwahlkampf 2014 sei widerlich und zutiefst undemokratisch gewesen, so Linke-Stadträtin Irmgard Freihoffer. Die vermögenden Bauträger verschafften damit diesen Parteien einen Wettbewerbsvorteil, indem sie deren Wahlkämpfe zum guten Teil finanzierten, und übten wesentlich mehr Einfluss auf das Wahlergebnis aus als Otto Normalverbraucher, der nur seine Stimme bei der Wahl hat.
Doch unabhängig von dieser moralisch-politischen Bewertung steht die juristische. Der Bundesgerichtshof hat nun die Freisprüche im ersten Wolbergs-Prozess aufgehoben. In Anbetracht der Vorfälle der letzten Jahre stellt sich aber doch die Frage, ob hier nicht mit zweierlei Maß gemessen wird. Warum sahen Staatsanwaltschaften in vielen weiteren Fällen, bei denen spendende Firmen einen unmittelbaren Vorteil durch entsprechende politische Entscheidungen hatten, keinen Anfangsverdacht? Einige Beispiele:
– Zweigstelle des Deutschen Museums in Nürnberg
Für das Museum wurde ein Haus des Immobilieninvestors Gerd Schmelzer in Nürnberg für 38,12 € pro m2 angemietet. Grüne, SPD und FDP im Landtag halten das für Wucher, am Obersten Rechnungshof läuft ein Prüfverfahren. Schächte, Technikräume und Ähnliches würden als reguläre Mietflächen definiert, insgesamt betreffe das fast ein Fünftel der Nettofläche, zwei Gutachten bestätigten eine „erhebliche vermieterfreundliche Tendenz“ so die SZ vom 14.09.21[1]. Interessant ist in diesem Zusammenhang noch mehr: Schmelzer hatte im Jahr 2018 45.500 € an die CSU gespendet.
– Spendendinner von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am 20.10.20
Anscheinend hatte Spahn hier etwa ein Dutzend Unternehmen zu einer Spende unterhalb der Veröffentlichungsgrenze von 9.999 € aufgefordert, da diese damit noch nicht unter die Veröffentlichungspflicht ab 10.000 € fielen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Carsten Schneider kritisierte dies zwar („Spendendinner, … bei denen vorsätzlich die Transparenzregeln für Parteispenden umgangen werden sollen“)[2], juristische Folgen hatte dies aber keine. Genau diese Verschleierung von Parteispenden – Parteispenden unterhalb von 10.000 Euro müssen nämlich nicht in den jährlichen Rechenschaftsberichten der Parteien veröffentlicht werden – spielte aber im Wolbergs-Prozess eine wichtige Rolle.
– Am 22. April 2008 durfte der damalige Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann seinen 60. Geburtstag auf Kosten der Steuerzahler im Bundeskanzleramt feiern[3]. Ende September 2008 drängte er Merkel mit drastischen Worten zur Rettung der Hypo Real Estate. Und er hatte Erfolg. Ohne Prüfung der Gläubiger und damit der Profiteure dieser Rettungsaktion wurden staatliche Hilfen in Milliardenhöhe für die HRE bewilligt, die in der Folgezeit immer weiter stiegen. U. a. profitierte die Deutsche Bank davon, weil sie zu diesem Zeitpunkt 1,8 Milliarden € Forderungen gegenüber der HRE hatte[4]. Im Oktober 2008 spendete die Deutsche Bank 200.000 € an die CDU, im Dezember 2008 100.000 an die SPD und 200.000 an die FDP, also in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Rettung der HRE.
– Regelmäßig spenden bzw. spendeten Autokonzerne bzw. ihre Großaktionäre wie die BMW-Familien Quandt und Klatten und bis vor Kurzem auch Daimler jeweils hohe Summen an die Unionsparteien, SPD und FDP. Zugleich setzte sich die Bundeskanzlerin immer wieder erfolgreich in Brüssel gegen strengere Abgasnormen durch[5].
– Im Jahr 2009 überwies die Düsseldorfer Substantia AG der FDP hohe Geldbeträge. Die Substantia AG gehört zum Imperium eines der reichsten Deutschen, August Baron von Finck, dessen Familie Miteigentümerin der Mövenpick Gruppe ist, die in Deutschland 14 Hotels betreibt. In den Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU im Oktober 2009 erwirkte die FDP die Absenkung des Mehrwertsteuersatzes auf Hotelübernachtungen von 19 auf 7 Prozent.
Diese Liste ließe sich weiter fortsetzen. Seltsam: In keinem dieser Fälle sah jemals eine Staatsanwaltschaft in Deutschland einen strafrechtlich relevanten Tatbestand, obwohl über diese Vorgänge in den Medien ausführlich berichtet wurde.
Wolbergs hat mit der Annahme von Firmenspenden einen großen Fehler begangen. Solange aber das Parteiengesetz diese Art der Finanzierung durch Firmenspenden und sehr vermögende Privatpersonen zulässt, ist es ebenso untragbar, dass an einem einzelnen Ex-Oberbürgermeister ein Exempel statuiert wird, während die anderen Parteien und Mandatsträger in ähnlich gelagerten Fällen unbehelligt bleiben und das Grundübel, nämlich die Parteienfinanzierung im Parteiengesetz, nicht geändert wird. So bleibt alles beim Alten.
[1] https://www.sueddeutsche.de/bayern/deutsches-museum-nuernberg-soeder-kosten-mietvertrag-eroeffnung-1.5409840 und
https://www.sueddeutsche.de/bayern/nuernberg-markus-soeder-deutsches-museum-eroeffnung-1.5413173
Siehe auch: https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/bayern-museum-soeder-101.html
[2] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/jens-spahn-nach-spendendinner-harscher-kritik-ausgesetzt-a-aa96a285-2c70-4db2-a6da-e92200cdfa32
[3] https://www.sueddeutsche.de/politik/merkel-staatsgeld-fuer-bankier-ackermanns-party-im-kanzleramt-1.169980
[4] https://www.br.de/nachricht/hre-milliardengrab-bad-bank-100.html
[5] https://lobbypedia.de/wiki/Parteispenden; https://www.tagesschau.de/wirtschaft/abgaswerte-pkw104.html