Antrag 1: Nachhaltige Entwicklung – Beitritt bei ICLEI

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

folgenden Antrag bitten wir in den zuständigen Gremien zu behandeln:

Die Stadt Regensburg tritt der Organisation Local Governments for Sustainability (ICLEI) bei.

Begründung

Die internationale Organisation vernetzt Städte mit dem Ziel, diese in ihren Anstrengungen für eine nachhaltige Entwicklung zu fördern und zu unterstützen. Zu diesem Zweck ermöglicht sie die Teilnahme an entsprechenden Programmen und Kampagnen und entwickelt strategische Allianzen.

Zu den Zielen von ICLEI Europe mit Sitz in Freiburg gehört u. a. die nachhaltige öffentliche Beschaffung.

Am 08.12.2009 wurde im Bau- und Vergabeausschuss der Beschluss gefasst, „bei Beschaffungen auch soziale und ökologische Belange zu berücksichtigen. Insbesondere soll soweit wie möglich sichergestellt werden, dass keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit beschafft werden.“

In der Beschlussvorlage wird das Problem eingestanden, dass es häufig schwierig bis unmöglich sei nachzuweisen, dass Produkte entsprechend der sozial-ökologischen Kriterien hergestellt wurden. Wo es geeignete Zertifizierungszeichen gibt wie z.B. Fairtrade bei Fußbällen oder Textilien, kann man sich auf diese stützen. In vielen Fällen hat man aber nur die Eigenerklärung des Bieters. Des Weiteren wird eingeräumt, dass nicht jedem Auftragnehmer der Nachweis und die Nachverfolgung der Lieferketten zugemutet werden kann.

Herbert Summa, Richter am Oberlandesgericht Koblenz, kritisiert viele Selbstverpflichtungserklärungen als Alibimaßnahme: „Wenn nur Eigenerklärungen gefordert werden, so der Jurist kürzlich im Behörden-Spiegel, habe ’ja der die meisten Chancen, der am skrupellosesten lügt’. Summa verweist damit auf fehlende und nicht durchführbare Kontrollen solch einer Selbstverpflichtungserklärung, die dem kommunalen Beschaffungsverantwortlichen vorgelegt wird.“[1]

Hinzu kommt, dass einige Siegel nur teilweise die sozial-ökologischen Standards beachten. So berücksichtigt z. B. GreenIT bei Computern nur ökologische Kriterien und ist zudem auch kein verlässliches Siegel. In der Computerindustrie herrschen in den Herstellerländern zum Teil katastrophale Arbeitsbedingungen, weshalb hier unbedingt auch auf deren Verbesserung verstärkt Augenmerk gelegt werden sollte. Das soeben begonnene Landmark-Projekt von ICLEI entwickelt weitere Nachweisverfahren u. a. bei der Computerherstellung (siehe weiter unten).

Ganz generell bietet ICLEI vielfältige Unterstützung bei der sozial-ökologischen Auftragsvergabe von Kommunen an. Diese reicht von der Beratung bei der juristisch korrekten Leistungsbeschreibung bei verschiedenen Produktgruppen bis hin zu Nachweisverfahren zur Sicherstellung der sozial-ökologischen Herstellungsbedingungen. ICLEI-Mitarbeiter führen auch entsprechende Schulungen für die zuständigen Verwaltungsangestellten vor Ort durch. Weiteres hierzu siehe auch Antrag 2.

Bislang gibt es keine öffentliche Organisation, welche die Einhaltung etwa der Normen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) oder des Verbots von ausbeuterischer Kinderarbeit kontrolliert. Eine Umfrage der Christlichen Initiative Romero (CIR) bei Kommunen in Nordrhein-Westfalen, bei denen es einen entsprechenden Beschluss zur nachhaltigern öffentlichen Beschaffung gibt, hat gezeigt, dass sich diese in der Umsetzung des Beschlusses überfordert fühlen und weitere Unterstützung fordern[2].

Als Weiterführung des Beschlusses vom Dezember 2009 würde die Stadt durch ihren Beitritt bei ICLEI maßgeblich zur Umsetzung des eigenen Beschlusses beitragen.

Neben der sehr wichtigen und wertvollen Unterstützung bei der sozial-ökologischen öffentlichen Vergabe verfolgt ICLEI weitere Ziele im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung und hat hier folgende Aufgabenschwerpunkte: Biodiversität, Anpassung an den Klimawandel, Minderung des Klimawandels, Energie, Wasser, Mobilität, beteiligungsorientierte Stadtentwicklung (urban governance) und Nachhaltigkeitsmanagement (sustainability management).

Bei urban governance arbeitet die kommunale Verwaltung mit anderen Gruppen der Zivilgesellschaft zusammen, z. B. bei der Sanierung des Gebäudebestands, wobei die Stadt hier eine moderierende Rolle einnimmt.

Beim Nachhaltigkeitsmanagement steht die Messbarkeit von Nachhaltigkeit im Vordergrund. Dabei geht es darum zu prüfen und nachzuweisen, wo Regensburg seinen Bedarf in Bezug auf nachhaltige Entwicklung hat.

Ein deutlich größerer Einsatz im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung ist auch in Regensburg notwendig und bringt großen Gewinn für die Stadt. Die örtliche Wirtschaft wird gestärkt und erhält ein eigenes, unverwechselbares Profil. Dabei kann Regensburg in Ostbayern auch die Rolle eines Vorreiters einnehmen. Erfolge der Stadt können auf internationaler Ebene präsentiert und vernetzt werden.

Weitere Informationen

Geschichte der Organisation

Die Organisation ‚International Council for Local Environmental Initiatives‘ (ICLEI) wurde 1990 beim World Congress of Local Governments for a Sustainable Future im Hauptquartier der UNO in New York von 200 Kommunen aus 43 Ländern gegründet. Die ursprüngliche Bezeichnung der Organisation wurde 2003 in ‚Local Governments for Sustainability’ geändert, da der Zweck der Organisation stark erweitert wurde und jetzt das Ziel nachhaltiger Entwicklung sich nicht nur auf Umweltfragen beschränkt, sondern z. B. auch im Sinne sozialer Nachhaltigkeit verfolgt wird. Die Kurzform ICLEI wurde beibehalten. Zur Geschichte der Organisation siehe: http://www.iclei.org/index.php?id=748.

ICLEI Europe

ICLEI Europe hat seinen Sitz in Freiburg und beschäftigt dort ca. 50 Mitarbeiter/innen.

Mitglieder

ICLEI hat über 1.200 Mitglieder in über 70 Staaten, in Europa sind ca. 180 Städte bei ICLEI. In Deutschland sind der Organisation u. a. folgende Städte beigetreten: Augsburg, Bremen, Freiburg, Dresden, Hamburg, Hannover, Heidelberg, Kaufbeuren, Ludwigsburg, Mannheim, Münster.

(Zu den Mitgliedschaften weltweit und in Deutschland siehe: http://www.iclei.org/index.php?id=11454).

Finanzierung

Die Organisation erhält vor allem projektgebundene Mittel, u. a. von der Europäischen Union, dem Bundesumweltamt und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit.

Partner

ICLEI arbeitet mit verschiedenen politischen Ebenen zusammen, so z. B. mit der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament, dem Europäischen Rat, dem Bundesumweltamt und verschiedenen UNO-Organisationen. Zudem ist die Organisation mit weiteren Partnern vernetzt, u. a. mit dem Regional Environmental Center und der Sustainable Energy Europe Campaign, und ist mit diesen in der Sustainable Cities and Towns Campaign, einer Art Dachverband, organisiert.

Darüber hinaus ist die Organisation an anderen Projekten mitbeteiligt, z. B. an Managing Urban Europe 25[3]).

Mitgliedschaft

Der Mitgliedsbeitrag beträgt 1.750 € im Jahr.

Siehe http://www.iclei-europe.org/fileadmin/templates/iclei-europe/files/content/Membership/Dues/Rates_LA_2.pdf.

Als Ansprechpartner sollte ein/e Mitarbeiter/in in der Verwaltung über gute Englischkenntnisse verfügen.

Aktuelles Projekt

Im April hat das dreijährige Landmark-Projekt von ICLEI Europe gestartet, das von der Europäischen Union finanziert wird. Dabei geht es um Nachweisverfahren der ökologisch-sozialen Herstellung bei bestimmten Produktgruppen, vorrangig bei Textilien, Pflastersteinen und Informations- und Kommunikationstechnologie in den Herstellerländern China, Indien und Südafrika. Zu diesem Zweck arbeitet ICLEI mit Zertifizierungsorganisationen zusammen als auch mit weiteren Experten, u. a. mit Fachleuten, die in den Herstellerländern vor Ort sind. Des Weiteren bietet ICLEI Unterstützung bei der juristisch richtigen Ausschreibung der Aufträge an als auch entsprechende Trainingsseminare für die für Vergabe verantwortlichen Beschäftigten der Stadt.

Regensburg könnte an diesem Projekt noch als assoziierter Partner teilnehmen.

Mit freundlichen Grüßen

Irmgard Freihoffer

[1] Quo vadis Beschaffung? Nachweise – Kontrolle – Umsetzung. Hrg.: Netzwerk Unternehmensverantwortung und WEED, Berlin, Dezember 2010, S. 7.

[2] Quo vadis Beschaffung? A. a. O., S. 7 .

[3] Auf der Internetseite heißt es: „Trotz der hohen Anzahl an gesetzlichen Regelungen, Instrumenten und Best-Practice-Modellen nimmt der negative Einfluss menschlicher Aktivitäten auf die Umwelt wie zum Beispiel Treibhausgasemissionen oder Flächenverbrauch in Europa stetig zu. Viele dieser schädlichen Umweltauswirkungen finden in Städten oder urbanen Regionen statt. Das  Projekt MUE-25 hat ein Rahmenmodell entwickelt, das Städte und Regionen dazu befähigt die negativen Auwirkungen aller Aktivitäten auf der Gesamtfläche zu reduzieren.“
Siehe auch:

„Über das Projekt:
Managing Urban Europe-25 (MUE-25) ist das bisher ambitionierteste Projekt zur Schaffung und Einführung von Umweltmanagement- (EMS) bzw. Nachhaltigkeitsmanagementsystemen (SUMS) in Europa. Ziel ist es, die Umweltqualität und Aspekte der Nachhaltigkeit in europäischen Kommunen dauerhaft zu verbessern und somit Umweltproblemen, die sich in Städten manifestieren, aktiv entgegenzutreten.“

 

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